PORTRÄT UND INTERVIEW

Im Gespräch mit…

DMSW Architekten, Berlin

DMSW Architekten

  • Autorin: Christina Gräwe
  • Foto: Werner Huthmacher

Es war der Wunsch nach mehr gemeinsamen Projekten und einer engeren Zusammenarbeit, der 2004 zur Gründung des Büros DMSW architektur und landschaft führte, das heute mit einem zwölfköpfigen Team seinen Sitz in Berlin-Kreuzberg hat. Die vier Partner – Julia Dahlhaus, Michael Müller, Maria Simons und Philipp Wehage – wussten, auf was sie sich einließen, sie kannten sich nämlich bereits aus dem Studium und über die gemeinsame Arbeit in anderen Büros. DMSW ist dabei kein starres Gerüst: Julia Dahlhaus, Michael Müller und Philipp Wehage bilden zudem seit 2012 die DMSW Partnerschaftsgesellschaft von Architekten, die seit 2016 als PartmbB organisiert ist.

Die jeweiligen Erfahrungen und Tätigkeitsschwerpunkte der Geschäftsführer decken und ergänzen sich zugleich. Julia Dahlhaus, Michael Müller und Philipp Wehage eint eine  gemeinsame Hochschule, die heutige Universität der Künste Berlin. Maria Simons hat Design in Köln und Amsterdam studiert, bevor sie ihr Interesse an der Freiraumgestaltung intensivierte und an der TU Berlin zusätzlich ein Studium der Landschaftsarchitektur absolvierte. Für viele der privaten Bauherren plant sie die Außenanlagen und ist auch für die gesamte grafische Arbeit im Büro zuständig. Die drei Hochbauarchitekten sammelten Erfahrungen in den Büros Max Dudler, Staab Architekten und Assmann Salomon AS, bevor sie ihr eigenes Büro gründeten.

Das Team von DMSW arbeitet auf einer Etage des Kreuzberger Backsteinhauses.

Zusammen mit Michael Müller hat sich Julia Dahlhaus bereits früh mit Baugemeinschaften beschäftigt und 2007 das Netzwerk Berliner Baugruppen Architekten (NBBA) mitgegründet. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Bauhaus Universität Weimar hat sie sich auch in der Lehre mit Wohnungsbau auseinandergesetzt. Die Lehrerfahrung und das wissenschaftliche Arbeiten teilt sie mit Philipp Wehage, der unter anderem den Bereich „Urban Design and Architecture“ für das internationale Forschungsprojekt „Young Cities“ der TU Berlin leitete. Wissenschaft und Praxis gehören für ihn zusammen: Am Ende gehe es um die Anwendbarkeit von Forschungsergebnissen, aber zunächst müsse man den Hintergrund kennenlernen.

„Erst die Stadt, dann das Haus. Erst den Rahmen stecken, dann die Präzisierung im Sinne aller.“

Philipp Wehage, DMSW Architekten, Berlin

von links: Michael Müller, Julia Dahlhaus, Maria Simons, Philipp Wehage

Großen Stellenwert nimmt die Vernetzung über die Bürowände hinaus ein, sei es über Gremienarbeit oder Jurorentätigkeit. Julia Dahlhaus ist Vorstandsmitglied im BDA Berlin, Philipp Wehage sitzt seit 2013 im Rat für Stadtentwicklung; die Teilnahme an berufsspezifischen Debatten und der kollegiale Austausch sind den Partnern wichtig. DMSW arbeiten immer wieder auch mit anderen Büros gemeinsam an Projekten; das Einzelgängertum empfinden sie als nicht mehr zeitgemäß. Ein Hauptbetätigungsfeld von DMSW ist der Wohnungsbau, sei es für private Bauherren oder nach dem Abflauen der Baugruppenwelle (in Berlin, Anm. der Red.) der Mietwohnungsbau. Mit der Herausforderung, städtebaulich wie auch für die Nutzer funktionierende Gebäude zu bauen und Außenräume herzustellen, beschäftigen sich die vier Planer immer wieder gerne. Sie sehen sich als verantwortungsvolle Stadtakteure und möchten dem mit ihrer Architektur und Freiraumplanung gerecht werden.

Das Büro liegt in einem typischen Berliner Hinterhof.

INTERVIEW

Im Gespräch mit …

Der Mariannenplatz in Berlin-Kreuzberg, dort, wo die Randale zum 1. Mai längst dem fröhlichen MyFest gewichen sind: Hier haben DMSW architektur und landschaft eine Etage in einem grünen Hinterhof bezogen und fühlen sich mit ihren zwölf Mitarbeitern ausnehmend wohl. Man kennt sich, plaudert mit den Nachbarn – atmosphärisch herrscht auch im Arbeitsalltag das, wofür sie so vielen Bauherren den Rahmen geschaffen haben, nämlich ein entspanntes Miteinander. Das Gespräch kreist rasch um das, was die vier Geschäftsführer Julia Dahlhaus, Michael Müller, Maria Simons und Philipp Wehage am intensivsten beschäftigt: das Wohnen in der Stadt.

Frau Dahlhaus, Herr Wehage, wie haben Sie zu Ihrer Bürogemeinschaft zusammengefunden?

PW: Es haben sich immer wieder Kreise geschlossen. Mit Julia Dahlhaus habe ich an der Hochschule (heute Universität, Anm. d. Red.) der Künste hier in Berlin studiert, mit Michael Müller und Maria Simons in einem Büro gearbeitet. Wir haben zunächst jeweils eigene Projekte gehabt, aber der Wunsch nach einer engeren Zusammenarbeit wurde immer größer.
JD: Wir ergänzen uns gut. Philipp Wehage war viel in Lehre und Forschung beschäftigt, Michael Müller und ich haben uns schon früh mit Baugemeinschaften auseinandergesetzt. Maria Simons ist für die gesamte Grafik zuständig und bei den privaten Bauherrengemeinschaften auch meist für die Freiraumplanung.

Ihre Tätigkeit spielt sich auffallend stark im Wohnungsbau ab: Ist diese Spezialisierung eine Reaktion auf die Dringlichkeit der Aufgabe?

JD: Uns hat immer schon interessiert, wie eine Stadt funktioniert, und daran hat das Wohnen einen immensen Anteil. Wir gehen also vom Gesamtgefüge aus, um dann zu überlegen, wie das Einzelhaus am jeweiligen Ort einen positiven Beitrag leisten kann. Zu den Baugemeinschaften kamen wir, bevor wir den Begriff „Baugruppe“ überhaupt kannten. Für ein Projekt in Weißensee wurden Mitstreiter gesucht, das Ensemble wurde in der Ausstellung „Aufeinander bauen“ gezeigt und publiziert. Das war quasi der Grundstock für uns.

PW: Es war interessant zu beobachten, wie die Gruppen privater Bauherren größer wurden und wie sich die Prozesse steuern ließen. Wir haben die Projekte überwiegend durch eigene  Projektentwicklung generiert: ein geeignetes Grundstück gesucht, Kostenkalkulationen aufgestellt und Interessenten gefunden, deren Wunsch nach bezahlbarem Eigentum der Markt nicht befriedigt hat.
JD: Dabei ging es uns zunächst hauptsächlich weiterhin um die Architektur. Der soziale Aspekt wurde aber zunehmend wichtig. Wir gehören ja zu dieser Erbengeneration, meist Mittelstandsakademiker, die eine Art Grundsicherheit suchen. Ich halte das „aufgeklärte Bürgertum“ immer noch für einen wichtigen Akteur …
PW: … ja, denn das sind Eigennutzer, die ihr Umfeld verantwortungsvoll mitgestalten möchten und damit Einfluss auf die Stadtstruktur nehmen.

Wie lautet das Rezept für eine gelingende Baugruppe?

PW: Das war ein Loslegen, dann Dazulernen, beim nächsten Mal haben wir das Dazugelernte einfließen lassen, wieder dazugelernt usw.
JD: Wir entwickeln ein Projekt so weit vor, dass der Gesamtrahmen steht. Den Bauherren erklären wir: „Ihr baut ein Haus, keine Summe von Einzelwünschen.“ Denn es gehen weit mehr Menschen an einem Haus vorbei als darin wohnen. In den Wohnungen selbst ist dann Raum für individuelle Vorstellungen. Wir reizen aus, was innerhalb des Quadratmeterpreises möglich ist. Oft arbeiten wir mit anderen Büros zusammen, dann gibt es eine klare Aufgabenverteilung.

Sie bezeichnen den Grundriss als „den Schlüssel für qualitätvollen Wohnungsbau“ – was bedeutet das?

PW: Der Grundriss ist wie eine Goldschmiedearbeit, individuell und sorgfältig zu behandeln. Eine grundsätzliche Frage ist: Wie kann ich aus einer limitierten Fläche ein großzügiges  Raumkontinuum herstellen und insgesamt Wohlbefinden herstellen?
JD: Es ist auch jedes Mal wichtig zu überlegen: Wie bette ich den Raum in den Baukörper ein, wie wird der wiederum erschlossen und Teil seiner Umgebung? Da sind wir schon wieder beim Thema „Haus in der Stadt“.

 

Frau Dahlhaus, in einem Beitrag im „Tagesspiegel“ 2009 werden Sie zitiert: „Eigentlich sind Baugruppen fast schon ein alter Hut, aber ich finde sie immer noch spannend.“ Gilt das noch?

JD: Vielleicht kann ich dem inzwischen hinzufügen: „Ich habe in meinem Leben genug Nischen für Shampooflaschen gebaut.“ (lacht) Der Punkt ist: Es gibt hier in Berlin beinahe keine Baugruppen mehr. Die Entwicklung ist derzeit zum Stillstand gekommen, denn es mangelt an Grundstücken. Die Senatsverwaltung fand die Baugruppenidee zunächst gut, hat sich aber nicht ausreichend dafür engagiert und steht jetzt unter dem Druck, möglichst viel Wohnraum in möglichst kurzer Zeit zu bauen. Ich finde das Modell Baugruppe weiterhin stadtentwicklungspolitisch wichtig.

Was bedeutet das für Ihre Aufgabenfelder?

JD: Wir arbeiten aktuell überwiegend im geförderten Wohnungsbau für  Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften, was großen Spaß macht. Gerade planen wir 186 Wohnungen für Geflüchtete in Berlin-Charlottenburg. Wir entwickeln dort eine Struktur, die jetzt den Standards des Flüchtlingswohnens entspricht und dafür neun Jahre lang vorgesehen ist. Danach kann durch einfache Umbauten eine allgemeine Wohnnutzung entstehen.
PW: Es ist spannend, das Nebeneinander von privatem und Mietwohnungsbau zu beobachten: Welche Erfahrungen lassen sich übertragen, welche weiterentwickeln? Wie nutzen wir den Spagat zwischen Individualität und der Stringenz des Mietwohnungsbaus?
JD: Unser Partner Michael Müller hat gerade das zweite kleine Investorenobjekt realisiert. Das erste war zunächst als Baugruppenhaus geplant, es fanden sich aber nicht genug Interessenten. Also haben wir uns zu einem Rollenwechsel entschieden und sind Bauträger geworden. Das Haus ist vollständig bewohnt, die Familien sind sehr zufrieden.

Sie sind vielseitig vernetzt, etwa im Rat für Stadtentwicklung und über den BDA.

PW: Ja, wir engagieren uns in Verbänden und auf stadtpolitischer Ebene, denn nur so kann man sich in die Debatten einmischen. Wir bauen nicht nur Häuser, wir haben auch Verantwortung. Uns bewegt der Normalfall und die Frage: Was ist das überhaupt?
JD: Ich wünsche mir mehr echten Gedankenaustausch. Denn gerade Berlin braucht ein feineres Instrumentarium, auch in Hinblick auf den vielzitierten Begriff der Partizipation, damit er nicht als bloßes Protestmittel missverstanden wird. Dafür braucht es mehr Moderation, mehr Ruhe und Kontinuität.

Architekten

DMSW Architekten
Mariannenplatz 23
10997 Berlin
www.dmsw.de

DMSW architektur und landschaft – das sind Julia Dahlhaus, Michael Müller, Maria Simons und Philipp Wehage, die 2004 ein gemeinsames Büro mit heute zwölf Mitarbeitern gründeten. Seit 2016 firmieren Dahlhaus, Müller und Wehage zudem als DMSW Partnerschaftsgesellschaft von Architekten. Die Erfahrungen und Schwerpunkte der Partner decken und ergänzen sich. Während die Designerin und  Landschaftsarchitektin Maria Simons für viele private Bauherren die Außenanlagen entwirft, sind die drei Hochbauarchitekten überwiegend im Wohnungsbau tätig. DMSW sind Experten für Baugemeinschaften, planen derzeit aber verstärkt für Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften. Als verantwortungsbewusste Stadtakteure beteiligen sie sich in Gremien wie dem BDA und dem Rat für Stadtentwicklung an baupolitischen Debatten.

Projekte (Auswahl)

2017 Uferhöfe, Berlin
2016 Gottlieb-Dunkel-Straße, Berlin
2014 Brehmestraße, Berlin
2013 Max-Steinke-Straße, Berlin

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